Expertentinterview zum Thema Hämorrhoiden

Zur Person:

Prof. Dr. med. Klaus Günther ist Viszeralchirurg, Proktologe und Chefarzt für Allgemein- und Viszeralchirurgie an der Klinik Hallerwiese in Nürnberg. Nach seiner Habilitation an der Chirurgischen Universitätsklinik Erlangen folgten Stationen als Funktionsoberarzt am Universitätsklinikum Regensburg und als leitender Oberarzt am Klinikum Fürth.

Professor Dr. Klaus Günther, Viszeralchirurg und Proktologe an der Klinik Hallerwiese in Nürnberg.
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Interview: Hämorrhoiden – Tabuzone After

Vielen Menschen ist es unangenehm über Hämorrhoiden zu sprechen – vor allem wenn sie Beschwerden an sich entdecken oder den Verdacht hegen, selbst davon betroffen zu sein. Aber Sie sind ja Experte, vielleicht erklären Sie uns erst einmal: Was sind Hämorrhoiden?

Im Prinzip hat jeder Mensch Hämorrhoiden. Darauf sind wir angewiesen. Hämorrhoiden sind Schwellkörper, also Gefäßpolster, die im oberen Analkanal sitzen. Dieser sogenannte Hämorrhoidalkomplex sorgt neben dem Schließmuskel für die Feinabdichtung an unserem After. Nur dann, wenn es zu Veränderungen der Hämorrhoiden kommt, zu Vergrößerungen dieses normalen Hämorrhoidalkomplexes, dann erst spricht man landläufig von Hämorrhoiden. Besser sollte man eigentlich sagen, von einem Hämorrhoidalleiden.


Wann kommt es zu einem Hämorrhoidalleiden?

Das Hämorrhoidalleiden besteht darin, dass sich dieser Hämorrhoidalkomplex aus nicht ganz klaren Gründen vergrößert. Wenn er eine normale, kleine Größe hat, dann schließt er faltenfrei und dicht ab. Wenn dieser aber größer wird, wirft er Falten und verursacht die ersten Symptome. Das merkt der Patient daran, dass der After nicht mehr ganz dicht ist, dass es zu Sekretaustritt aus dem After kommt und die Analkanalhaut, die eigentlich immer trocken sein sollte, gereizt wird. Diese wird dann feucht und es fängt an zu jucken und zu brennen.


Ein Hämorrhoidalleiden wird in unterschiedliche Grade eingeteilt, so kann man das auch nachlesen. Welche Grade gibt es und wie unterscheiden sich diese voneinander?

Also eine kleine Vergrößerung des Hämorrhoidalpolsters, was nur zu leichten Symptomen führt, wären Hämorrhoiden ersten Grades. Wenn diese noch größer werden, beim Stuhlgang mit herauskommen und nach dem Stuhlvorgang wieder von selbst zurückschlupfen, hat man ein Hämorrhoidalleiden zweiten Grades. Wenn sie [beim dritten Grad, Anm.d.Red.] weiter anschwellen, gelangen sie nach dem Stuhlvorgang nicht mehr von selbst zurück, sondern der Patient müsste sie wieder mit den Fingern in den After schieben. Hämorrhoiden vierten Grades wären dann schon richtig problematisch, denn bis dahin ist es eigentlich noch relativ harmlos. Hämorrhoiden vierten Grades bestehen dann, wenn sie vorgefallen sind und nicht mehr zurückgeschoben werden können. Die Hämorrhoiden werden so über Minuten oder auch Stunden hinweg im Analkanal eingeklemmt, schwellen an und vergrößern sich immer weiter. Das wird sehr schmerzhaft und man spricht von einem Notfall, der den Besuch im Krankenhaus notwendig macht. Das ist ganz grob die Einteilung der Hämorrhoiden-Grade eins bis vier.


Viele Betroffene schämen sich für ihr Hämorrhoidalleiden beziehungsweise reden auch nicht darüber, weil sie denken, dass es etwas Seltenes ist. Aber wie häufig tritt es denn wirklich auf?

Man weiß, dass etwa jeder zweite Mensch im Lauf seines Lebens mindestens einmal Probleme mit seinem Hämorrhoidalkomplex hat beziehungsweise ein Hämorrhoidalleiden entwickelt. Jeder zweite Mensch — das ist schon ziemlich viel.


Und ist es altersunabhängig? Also kann es Kinder genauso betreffen wie ältere Menschen?

Im Prinzip ist es altersunabhängig, jedoch ist das Hämorrhoidalleiden bei Kindern ziemlich selten und nimmt mit dem Erwachsenwerden zu. Erst im Alter, wenn der Schließmuskel schwächer wird, ebbt es wieder ab. Also Senioren, die einen schwachen Schließmuskel haben, verlieren ihre Hämorrhoidalprobleme. Daher ist es eigentlich eine typische Erkrankung des erwachsenen Menschen.


Gut zu wissen! Es gibt viele Mythen über die Entstehung von vergrößerten Hämorrhoiden, zum Beispiel durch Sitzheizungen, Fahrradsattel oder mangelnde Hygiene. Was stimmt davon und wie entstehen Hämorrhoiden beziehungsweise ein Hämorrhoidalleiden?

So ganz genau weiß man es nicht. Es liegt wahrscheinlich am aufrechten Gang, dass ein größerer Druck auf dem Bereich des Enddarms vorliegt. Das ist sicherlich der Hauptfaktor. Darüber hinaus ist es wahrscheinlich erblich bedingt. Aber die anderen Theorien, mit dem Sitzen in der Kälte und Sitzheizungen — ich glaube das sind einfach Erklärungsversuche. Wir Menschen versuchen immer, für alles irgendeine Ursache zu finden. So redet man sich das ein bisschen zurecht. Ich selbst glaube nicht daran. Vielleicht wird die Hämorrhoidalentstehung auch durch einen harten Stuhlgang begünstigt. Also wer häufig sehr harten Stuhlgang hat, sorgt für noch mehr Druck auf dem Hämorrhoidalbereich und es kann zu solchen Vergrößerungen kommen. Es ist zwar nicht die Hauptursache, aber eine Theorie, die es dafür gibt. Es wäre zumindest logisch. Ob es tatsächlich so stimmt, ist schwierig zu überprüfen. Wenn man sich in irgendeiner Form etwas Gutes tun will — nicht nur im Hinblick auf Hämorrhoidalleiden — dann ist es sinnvoll, sich so gesund zu ernähren, dass man immer einen schön weichen, cremigen Stuhlgang hat.


Wie erkenne ich, dass es sich bei meinen Beschwerden tatsächlich um Hämorrhoiden handelt? Welche spezifischen Symptome gibt es?

Spezifische Symptome gibt es eben nicht. Das ist das Problem dabei. Es gibt eine Vielzahl von Beschwerden, die bei Hämorrhoiden bestehen können. Es gibt aber auch andere Erkrankungen, bei denen diese vorkommen. Ich habe bereits ein paar Symptome genannt, aber noch nicht alle. Also Jucken und Brennen sind ein Teil des Hämorrhoidalleidens. Wenn der After nicht ganz dicht ist, wird die Haut dort gereizt. Die Hämorrhoiden können beim Stuhlgang hervortreten und dann zunächst, im Stadium zwei, auch wieder von selbst zurückschlupfen. Das wäre schon ein ziemlich guter Hinweis für ein Hämorrhoidalleiden. Aber es könnten eben auch Polypen [Ausstülpungen der Schleimhaut, Anm.d.Red.] sein, was eine ganz andere Erkrankung wäre. Also so 100 Prozent spezifisch ist dieses Symptom nicht. Ein weiteres Hauptsymptom – oder ein zumindest sehr häufiges Symptom – ist die Blutung. Das Hämorrhoidalpolster ist ein Schwellkörper, wie ich anfangs sagte, der aus gut durchblutetem Gewebe besteht. Dieses kann beim Stuhlgang, insbesondere wenn er hart ist, auch mal einreißen. Dadurch kommt es meist dazu, dass sich beim Abputzen Blut am Papier befindet oder es richtig tropfend herausblutet. Das Problem ist, dass das zwar recht häufig ist, aber gerade schlimme Erkrankungen wie Krebs ebenfalls mit Blutungen einhergehen. Insofern hat man als Arzt immer das Dilemma, wenn ein Patient eine Blutung hat — also ein bisschen Blut am Papier. Recht häufig handelt es sich nur um ein Hämorrhoidalleiden, in seltenen Fällen kann es eben aber auch Krebs sein. Und insofern ist gerade dieses Symptom ernst zu nehmen. Der Patient sollte sich nicht denken: „Naja, ich guck mir die Symptome an, dann wird es schon nur ein Hämorrhoidalleiden sein.“ Sicherer wäre bei sowas — zumindest beim ersten Mal — einen Experten aufzusuchen und sich untersuchen zu lassen.


Muss ich bei Hämorrhoiden beziehungsweise Beschwerden durch Hämorrhoiden gleich zum Arzt gehen oder kann ich sie auch selbst behandeln?

Naja, sofort nachts zum Arzt gehen muss man wegen so etwas nicht. Jucken und Brennen an sich sind auch nicht so schlimm. Nur ganz selten gibt es sehr ernste, lebensbedrohliche Erkrankungen, die Jucken und Brennen verursachen. In solch einem Fall könnte man schon etwas entspannter sein und erstmal abwarten, wie es verläuft beziehungsweise versuchen, sich mit einer normalen Hämorrhoidalsalbe zu behandeln. Aber trotzdem wäre ich immer sehr vorsichtig bei der Selbstbehandlung — man ist ja Laie. Was ich gar nicht machen würde: Bei einer Blutung einfach von Hämorrhoiden ausgehen und dann selbst herumdoktern. Eine Blutung ist eigentlich ein Alarmzeichen für Krebs und das sollte man nicht unterschätzen. Es kommt natürlich immer ein bisschen auf das Lebensalter an. Junge Menschen haben sehr selten Krebs, ältere hingegen vergleichsweise häufig. Das muss also auch berücksichtigt werden. Allerdings erlebt man auch, dass 20-Jährige Enddarmkrebs haben. Das habe ich selbst schon diagnostiziert. Eine Blutung darf man also nicht auf die leichte Schulter nehmen.


Zu welchem Arzt gehe ich denn bei einem Verdacht auf Hämorrhoiden?

Prinzipiell geht man erst einmal zum Hausarzt. Der ist immer der erste Ansprechpartner. Ein Hausarzt sollte sich eigentlich soweit auskennen, dass er am Anfang bereits trennen kann, was ernst und was nicht so ernst ist. Gleich zum Proktologen gehen? Einen Termin bekommt man gar nicht so einfach. Es gibt gar nicht so viele Proktologen, also Enddarmexperten, denn das sind in der Regel Fachärzte. Kassenpatienten werden ohne Überweisung nur sehr schwer einen Termin bekommen. Außerdem kann man auch einem Privatpatienten nicht raten, sofort immer dorthin zu gehen. Daher wäre der erste Ansprechpartner der Hausarzt.


Kennen sich denn alle Hausärzte mit Hämorrhoidalleiden aus?

Nicht alle Hausärzte kennen sich wirklich damit aus. Man muss da auch aufpassen beim Hausarzt, sie heißen auch Allgemeinmediziner und haben eine ziemlich gute umfangreiche Ausbildung. Ich erlebe es nicht selten, dass mir Patienten berichten, selbst der Hausarzt habe, ohne zu untersuchen gesagt: „Das wird ein Hämorrhoidalleiden sein“ und rezeptiert dann eine Hämorrhoidalsalbe. Ein Muss ist, dass man untersucht wird. Nur das Gespräch allein nutzt gar nichts. Das heißt hingucken, tasten, also den Finger in den After stecken und austasten. Eigentlich ist auch eine Enddarmuntersuchung sinnvoll, sprich eine kurze Spiegeluntersuchung des Enddarms. Es kann sein, dass das manche niedergelassene Allgemeinmediziner können, aber ich denke, in den meisten Fällen würden sie den Betroffenen dann doch zu einem Spezialisten überweisen.


Bei der proktologischen Untersuchung, die sie grade schon angeteasert haben — was passiert da genau? Wie kann ich mir das vorstellen und wie kann ich mich auf so eine Untersuchung vorbereiten?

Fangen wir mal mit der Vorbereitung an: Sie müssen sich eigentlich überhaupt nicht vorbereiten. Im Prinzip können Sie einfach kommen. Sie müssen keinesfalls nüchtern sein oder abführen. Das ist vielleicht auch gar nicht mal so geschickt, denn als Proktologe hat man den Patienten lieber so, wie er ist. Waschen wäre vielleicht ganz hilfreich, muss aber auch nicht unbedingt sein. Das machen wir alles hier. Eine Basisuntersuchung dauert ungefähr 20 bis 25 Minuten, wobei da auch eine kleine Wartezeit mit einberechnet ist. Der Patient gibt zuerst seine ganze Krankengeschichte an, was er alles hat, welche Medikamente er nimmt und so weiter. Das übernehmen oft die Arzthelfer und -helferinnen im Voraus. Dann kommt man zum Arzt selbst. Er erhebt die Anamnese — so heißt der Fachausdruck — und lässt sich genau erklären, welche Symptome vorliegen, bevor er die Untersuchung beginnt. Das bedeutet hingucken, mit dem Finger austasten und in der Regel bekommt man einen kleinen Einlauf. Das sind 100 bis 200 Milliliter Flüssigkeit, die in den After hineingegeben werden. Diese wirkt innerhalb von fünf bis zehn Minuten, bevor man auf die Toilette muss. Man wartet so lange im Wartebereich, geht auf die Toilette und entleert sich. Danach ist man hinten vollständig sauber und es wird die Enddarmspiegeluntersuchung gemacht. Mit verschiedenen Gerätschaften schaut der Arzt dabei in den After hinein und sieht sich die untersten 12 bis 15 Zentimeter des Enddarms an, um zum Beispiel einen Tumor auszuschließen. Mit einem kürzeren Gerät untersucht er dann im Analkanal den Bereich, in dem die Hämorrhoidalpolster beziehungsweise die Hämorrhoiden sitzen müssten. Das wäre die Basisuntersuchung. Im Anschluss findet eine Beratung des Patienten statt, in dem er über die weiteren Optionen informiert wird.


Herr Prof. Günther, das hört sich etwas unangenehm an. Ist die Untersuchung für Betroffene schmerzhaft?

Spüren werden Sie schon etwas, denn Sie sind ja nicht gefühllos. Aber Schmerz soll es nicht sein. Es ist nicht das Ziel der Untersuchung, jemandem weh zu tun. Wenn die Untersuchung schmerzhaft war, dann war es nicht gut gemacht. Die Untersuchung findet, in der Regel zumindest, in Linksseitenlage statt. Man muss also nicht unbedingt auf einen Gynäkologenstuhl klettern, wie das beim Frauenarzt der Fall ist, sondern wir machen es für den Patienten bequemer in Linksseitenlage. Er liegt mit angezogenen Beinen auf einer Liege, ich sitze auf einem Schemel davor und habe den Po auf Augenhöhe. Das Austasten muss mit Gefühl passieren. Wenn dabei Schmerzen auftreten, muss abgebrochen werden. Das ist eigentlich eine Grundregel: Wenn eine schmerzhafte Erkrankung vorliegt, wird der Patient nicht wach untersucht. Es gibt ganz andere Erkrankungen, die sehr schmerzhaft sind, die erkennt man aber. Das sind Untersuchungen, die in der Tat in Vollnarkose gemacht werden. Örtliche Betäubung am Po ist schwierig. Das ist eher unüblich.


Wie kann man Hämorrhoiden behandeln, die sich schon jenseits des zweiten Grades befinden?

Man fängt hier immer mit dem Einfachsten an. Ein harter Stuhlgang begünstigt Hämorrhoidalleiden, deshalb muss der Stuhl weich werden. Das kann durch eine Ernährungsumstellung erreicht werden. Ballaststoffreich essen, viel trinken und Sport — das ist immer die gleichlautende Empfehlung, die fast für alles gut ist. Weicher Stuhlgang ist immer gut für den Po und für das Hämorrhoidalleiden. Darüber hinaus kann vielleicht auch scharfe Nahrung vermieden werden. Vor allem Patienten, die gerne scharf essen und ein Hämorrhoidalleiden haben, kommen meist von selbst darauf, dass das nicht unbedingt bekömmlich ist. Des Weiteren können Cremes und Salben aufgetragen werden, die die Haut schonen und das Jucken und Brennen minimieren. Wenn es ein höhergradiges Leiden ist, geht es darum, die vergrößerten Hämorrhoidalpolster wieder klein zu bekommen. Das kann zum Beispiel durch bestimmte Methoden wie der Verödung erreicht werden.


Wie genau läuft eine Verödung ab?

Diese findet ambulant statt, ist zwar ein bisschen unangenehm, aber absolut schmerzfrei. Dazu braucht es keine Operation. Hämorrhoiden veröden bedeutet, dass man in den oberen Teil des Hämorrhoidalbereichs zunächst eine Lösung einspritzt. Das klingt schmerzhaft, aber wenn man es an der richtigen Stelle macht — oberhalb des Analkanals existieren nämlich keine Schmerzfasern, keine Schmerznerven mehr — kann dort etwas eingespritzt werden, was zu einer lokalen Entzündungsreaktion führt und den Blutzufluss zu den Hämorrhoiden drosselt. Dadurch werden die Hämorrhoidalpolster wieder kleiner. Man kann es entweder durch Einspritzen machen — in der Fachsprache auch Sklerosierung genannt — oder durch eine sogenannte Barronligatur [auch als Gummibandligatur bekannt, Amn.d.Red.]. Dabei packt man Gewebe oberhalb der eigentlichen Hämorrhoide, in dem der Blutzufluss für die Hämorrhoide liegt und bindet dieses mit einem Gummiring ab. Dafür gibt es ein spezielles pistolenartiges Gerät. Dadurch wird das Gewebe oberhalb der Hämorrhoide gerafft, abgebunden und auch das führt zu einer etwas stärkeren Entzündungsreaktion. Diese hat nichts mit einer bakteriellen Entzündung zu tun, sondern ist eher eine reaktive Veränderung. Sie ist noch effektiver als das Einspritzen und führt auch dazu, dass der Blutzufluss zu den Hämorrhoiden minimiert wird. Beide Behandlungen — Sklerosierung und Gummibandligatur — sind keine einmaligen Behandlungen, sondern müssen im Abstand von vier bis fünf Wochen vielleicht drei bis viermal wiederholt werden. So wird ein dauerhafter Effekt erzielt. Hierbei handelt es sich um ideale Behandlungen für Hämorrhoiden zweiten Grades.


Welche Methoden gibt es für Betroffene mit Hämorrhoiden dritten und vierten Grades?

Hier muss operiert werden. Bei Hämorrhoiden dritten Grades reicht das Veröden nicht mehr aus. Prinzipiell hängt es aber immer vom Patienten ab, den man vor sich hat. Ist es ein junger oder ein schwerkranker älterer Patient? Ältere Leute, die schwerkrank sind, kann man natürlich nicht so leichtfertig operieren. Da würden eher konservative Methoden länger ausgereizt werden. Wenn bei den Patienten allerdings keine besonderen Risikofaktoren vorliegen, dann müssen sie operiert werden. Dafür gibt es verschiedene Verfahren, um dem Ganzen Herr zu werden.


Wie umfangreich ist so eine Operation und wie läuft sie ab?

Für einen Chirurgen sind das ziemlich kleine Eingriffe. Was die Gefährlichkeit und die Komplexität angeht, sind das vergleichsweise einfache Operationen. Die Tücke liegt jedoch im Detail, denn auch diese Operationen müssen mit Liebe gemacht werden. Also nicht nur mit Liebe untersuchen, sondern auch mit Liebe operieren. Je nach Methode braucht man entweder eine Vollnarkose — also man schläft — oder man verwendet eine Art Rückenmarksbetäubung. In Fachkreisen heißt diese auch Spinalanästhesie. In diesem speziellen Fall handelt es sich um eine ganz tiefe Spinalanästhesie, die auch den Namen Sattelblock trägt. Sprich, in dem Areal, mit dem man auf dem Sattel sitzen würde, ist man taub. Dazu wird eine Spritze am unteren Rücken angesetzt, dann dauert es zehn Minuten bis die Wirkung einsetzt und man in der entsprechenden Region komplett gefühllos ist. So kann man gut operiert werden. Die Patienten müssen absolut schmerzfrei sein, man will ja nicht quälen. Außerdem müssen die Patienten auch entspannt liegen, der Schließmuskel muss locker sein, sodass man gut rankommt und schön operieren kann. Bei den klassischen Methoden wird ein gewisser Teil der Hämorrhoidalbereiche entfernt.


Was gibt es bei einer Hämorrhoiden-Operation zu beachten und welche Risiken bestehen?

Man muss dabei beachten, dass man keinesfalls den kompletten Hämorrhoidalbereich entfernen darf. Denn danach wäre man undicht. Würde man überhaupt keinen Hämorrhoidalbereich mehr haben, dann fehlt nicht nur die Feinabdichtung, sondern obendrein auch die Haut, die dem After sagt, was da unten ankommt. Die Analkanalhaut, die bei einer unsachgemäßen Hämorrhoidaloperation versehentlich mit herausoperiert werden würde, sagt dem After ob Stuhlgang, Luft oder Flüssigkeit kommt. Der Patient wäre dann auch inkontinent, hätte also eine sensorische Inkontinenz. Man darf bei einer Hämorrhoidaloperation also nicht übertreiben. Es darf nur so viel wie nötig weggeschnitten werden, sonst hat der Betroffene mit einigen Nachteilen zu rechnen. Allerdings sind diese Operationen ziemlich effektiv und haben auch eine sehr gute Prognose. Das heißt auf lange Sicht — also bis zu 20 bis 30 Jahre — hat man in der Regel Ruhe. Nachteilig bei diesen klassischen Operationen, wenn man also die Hämorrhoiden wegschneidet, sind jedoch die Wunden, die man in einem sehr sensiblen Bereich bekommt. Der After hat eine so hohe Nervendichte, wie wir sie an den Lippen haben. Er ist also sehr empfindlich. Das heißt, es kann für den Patienten sehr unangenehm sein. Man sollte diese Operationen bestenfalls unter stationären Bedingungen und nicht ambulant durchführen. Wir würden nicht wollen, den Patienten einfach wieder nach Hause zu lassen. Im schlimmsten Fall kommt es zu Blutungen, es tut doch weh und er ist zu Hause lange nicht so gut mit Schmerzmitteln versorgt. Nach unseren Kriterien sollte der Betroffene demnach zwei Nächte hierbleiben und die Wunden ausduschen. Nach der Operation hat man am After nämlich kleine Wunden, die man nicht zunähen soll. Würde man diese verschließen, gelangen die dort lebenden Bakterien, die Sauerstoff hassen, in die Tiefe des Gewebes und werden eingenäht. Dann fühlen sie sich richtig wohl und würden zu einer Wundinfektion führen. Folglich lässt man die Wunden offen.


Was muss man nach der Operation beachten?

Damit die Wunden gut heilen können, müssen sie dreimal am Tag und nach jedem Stuhlgang ausgeduscht werden. Man überlässt sie also der sogenannten sekundären Wundheilung, die ein paar Wochen dauern kann. Das heißt Hämorrhoiden sind nicht so schlimm, aber die Operation hat durchaus einige Auswirkungen, die man einplanen muss. Es ist ziemlich harmlos, wenn die Patienten gut mit Schmerzmitteln eingestellt sind. Dann kann die Zeit nach der OP gut toleriert werden. Darüber hinaus muss man den Patienten zeigen, wie man die Wunden ausduscht. Normal in die Arbeit kann man in den ersten zwei Wochen jedoch nicht gehen. Also insofern ist ein solche Operation schon eine gewisse Maßnahme und bedarf einer Krankschreibung.


Gibt es noch weitere, schonendere Operationsverfahren?

Da gibt es ein Verfahren, das bestimmt schon 20 Jahre alt und angeblich etwas schonender ist. Dabei werden die Hämorrhoiden nicht wegoperiert, sondern es wird mithilfe bestimmter Klammernahtgeräte — diese sehen aus wie größere Pistolen, die man in den After einführt — oberhalb des Hämorrhoidalbereichs eine zirkuläre, breite Schleimhautmanschette aus dem Enddarm herausgezwickt und wieder zusammengeklammert. Das heißt, danach fehlt ein breiter Streifen oberhalb der Hämorrhoiden im Enddarm und dieser wird wieder zusammengefügt. Das führt dazu, dass die Hämorrhoiden ein Stück nach oben „geliftet“ werden und gleichzeitig aber auch der Blutzufluss zu den Hämorrhoiden gedrosselt wird. Dieses Verfahren hat den Vorteil, dass man in einem Bereich operiert, der nicht schmerzhaft ist. Man braucht zwar auch dafür eine Vollnarkose, denn das Gerät ist ganz schön dick, das bekommt man bei einem wachen Patienten nicht so ohne weiteres eingeführt. Danach hat man aber nur eine Wunde in einem nicht schmerzhaften Bereich des Enddarms. Insofern ist dann die Erholungsphase für den Patienten wesentlich kürzer. Der Nachteil dabei ist jedoch, dass das Langzeitergebnis nicht so gut ist, wie bei den klassischen Verfahren. Es ist nicht so effektiv, denn man behebt das Hämorrhoidalleiden nicht so gut. In seltenen Fällen kann es allerdings auch zu Nebenwirkungen oder Komplikationen kommen, die fast nicht mehr zu korrigieren sind. Deshalb ist dieses Verfahren wieder ein bisschen auf dem Rückzug. Ein paar Kollegen führen es noch durch — ich wende diese Methode jedoch nur noch in Ausnahmefällen an. Es müssen wirklich alle Gegebenheiten passen, dass dieses Verfahren infrage kommt.


Herr Professor Günther, Sie sind Chefarzt in der Klinik Hallerwiese in Nürnberg, in der Abteilung für Allgemein- und Viszeralchirurgie — wie viele Patienten mit Hämorrhoidalleiden betreuen Sie im Schnitt pro Jahr?

Mit Hämorrhoidalleiden gar nicht mal so viele, denn es ist ja eigentlich so geregelt, dass Patienten möglichst zu niedergelassenen Proktologen gehen sollen. Da gibt es allerdings in Nürnberg, meines Wissens, nur noch zwei. Insofern ist der Bedarf schon recht hoch, was bedeutet, dass wir zunehmend mehr Patienten behandeln. Proktologische Patienten insgesamt haben wir— wobei wir hier ja nicht nur Proktologie, sondern eigentlich auch Bauchchirurgie beziehungsweise Viszeralchirurgie machen — in etwa 200 Stück pro Jahr. Hämorrhoidalpatienten haben wir hingegen vielleicht 50 bis 100. Das klingt wenig, aber wir versuchen das, wie gesagt, ein bisschen zu vermeiden. Die Patienten sollen eigentlich zu einem niedergelassenen Kollegen gehen und nicht unbedingt in die Klinik kommen, denn dort sollen ja auch eher die selteneren, kniffligen Fälle behandelt werden.


Wie wird man eigentlich Proktologe?

So etwas ist natürlich von Zufällen bestimmt. Ich bin nicht aufgewacht und habe gedacht: „Ich werde Proktologe!“ Seit meiner Jugend wollte ich zwar immer Chirurg werden, das war klar. Ich wollte immer am Bauch operieren. Das heißt, ich wollte lieber an Weichgewebe und Gedärmen operieren, als an Knochen. Dieses Schrauben und Bohren hat mir nicht so gefallen. Und wer am Darm operiert, muss sich schließlich auch mit dem Enddarm auskennen. Alles weitere waren Zufälle. Man wird in der Proktologie eingesetzt, ausgebildet und stellt dann fest, dass es eigentlich ein klasse Fach ist. Die Patienten haben vorher immer Angst, sie machen sich salopp gesagt in die Hose und wenn sie hinterher wieder gehen, sagen sie: „Wenn ich das gewusst hätte, es ist sogar noch lustig hier, da wäre ich viel früher gekommen!“ Außerdem sind die allermeisten Erkrankungen am After in der Tat harmlos. Das heißt, den meisten Patienten kann man wirklich gut helfen und nur ganz selten kommen schlimme Erkrankungen wie Krebs vor. Von daher ist es sehr befriedigend. Vielleicht muss man auch ein bisschen schräg sein, man muss Blut sehen können, man muss Stuhl sehen können und man muss aushalten können, wenn es mal ein wenig komisch riecht. Letzten Endes kann Patienten meist im Handumdrehen geholfen werden, man sieht deren Erleichterung und sie kommen wieder. Wenn ich ihr Hämorrhoidalleiden gut behandelt habe, kommen sie auch mit einem Leistenbruch zu mir und das befriedigt sehr.

Herr Professor Günther, vielen Dank für dieses sehr informative und humorvolle Gespräch über Hämorrhoiden!

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Jan Zimmermann Egal ob Video, Foto oder Text – Hauptsache die Kreativität kommt nicht zu kurz. Noch während seines Masterstudiums der Medienwissenschaften und der Arbeit als Multimedia Content Creator in München, entwickelte Jan Zimmermann eine Passion für das Schreiben. Seit 2018 lebt er diese als Medizinredakteur bei kanyo® aus. Jan Zimmermann Medizinredakteur und Medienwissenschaftler kanyo® mehr erfahren